FORSCHUNG

Meine kü nstlerischen Prinzipien

Meine Skulpturen bestehen aus Bruchstü cken, werden von Rissen, Schnitten und Rillen durchzogen, die technisch gesehen Teil eines Verfahrens sind, bei dem ich voneinander getrennte Teile wieder zusammenklammere, indem ich geschmolzenes Blei in diese Einschnitte und Rillen fließen lasse. Durch die in den Ton geritzten Furchen und Linien, die sich mit fortschreitender Bearbeitung der Oberflächen auf diesen auflösen und fast wie von selbst Gleichgewicht und innere Logik finden, plane ich den späteren Verlauf des verflü ssigten Bleis. Diese Energie des geschmolzenen Metalls ist es, die meinen Skulpturen jenes Element von Stärke verleiht, das unter meinen Augen Gestalt annimmt, aus Zeichen Sprache macht und mich jenes Empfinden des Staunens erleben lässt, das ich weitergeben möchte.

Fragmente

Die hier gezeigten Werke bestehen aus Schamotteplatten, die geformt, getrocknet, bei 980° gebrannt und nach dem Brennen durch Eingießen von Blei in hierfü r eingearbeitete Rillen zusammengefü gt wurden. Damit sollte eine durch archäologische Funde belegte Technik nachvollzogen werden, die um das 1. Jhd. v. Chr. von den kampanischen Töpfern zur "Restaurierung" der großen als "Dolien" bezeichneten Keramikgefäße angewandt wurde. Die Größe und die schwierige Herstellung der Dolien rechfertigten zweifellos das Bemü hen, jedes dieser Gefäße, das während der heikelsten Phasen des Herstellungsprozesses (dem Trocknen und Brennen) eventuell gesprungen oder sonst wie in der Struktur beschädigt worden war, doch noch gebrauchsfähig zu machen.

Fü r die Reperatur der Dolien wendete man ein sehr kluges und sinnvolles Verfahren an: Man setzte Schwalbenschwanzanker zur Stabilisierung ein und goß die Sprü nge oder Risse mit flü ssigem Blei aus; so hielten die Gefäße zusammen und waren auch wieder dicht.

Die Dolien, auf die ich mich beziehe, und sie den Anstoß zu den ausgewählten Arbeiten gegeben haben, sind Fundstü cke aus den Unterwassergrabungen an dem römischen Schiff von Diano Marina.

Als Restaurator bei der Soprintendenza Archeologica der Region Ligurien hatte ich Gelegenheit, mich mit einigen der groeinigen der en Tongefäße

näher zu befassen, die bei den jü ngsten Grabungen in Bruchstü cken geborgen worden waren. Bei der Auseinandersetzung mit der Problematik, die Restaurierungsarbeit beinhaltete, habe ich in diesen Dolien nicht nur die meisterhaft und auf hohem technischen Niveau gefertigten Gefäü e gesehen, sondern auch eindrucksvolle Großskulpturen. Als engagierter Keramiker habe ich die hier gezeigten "Fragmente" geschaffen in der Absicht, eine Erfahrung vergangener Töpferkunst nachzuvollziehen in einem Bereich der keramischen Gestaltung, auf dem ich forsche und arbeite.
Die Keramikskulpturen von Pino Rando bestehen aus Bruchstü cken und sind von Rissen, Einkerbungen und Rillen durchzogen. Aus technischer Sicht werden hierbei voneinander getrennte Stü cke dadurch wieder zusammengeklammert, dass diese Kerben und Rillen mit Blei ausgegossen werden. Durch die in den Ton geritzten Furchen gibt er die Strecken vor, die das flü ssige Blei zurü cklegen soll. Die bleiernen Linien gliedern die Oberfläche und folgen einer inneren Logik. Die Energie des geschmolzenen Metalls verleiht seinen Skulpturen jene elementare Kraft, die unter seinen Augen Form wird, aus Zeichen Sprache macht und in ihm ein Gefü hl des Erstaunens weckt, das er weitergeben möchte.

Im Verlauf der Arbeit versucht er die einzelnen Elemente seiner Objekte miteinander in Harmonie zu bringen: die Schnitte, Nähte, Verschmelzungen, die Farbe. Manchmal öffnet er dabei Durchblicke, Hohlräume, die das Licht hindurch lassen und weitere Sichtmöglichkeiten bieten kleine, geöffnete Fenster auf einzelne Teile der durchschnittenen Form. Mitunter erscheinen so ü berraschend Details des Ganzen, ähnlich Fotogrammen.